Consultant Tagebuch 4: Eine Woche in der Hölle

Wer wissen will, wie das Leben eines Informatik-Consultants, also eines „Beraters“, aussieht, ist hier richtig.

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Consultant Tagebuch 1

Okay, ich habe die erste Woche als Consultant beim Kunden hinter mir, und ehrlich gesagt, war es eine der hartesten Wochen meines gesamten Lebens. Ich musste das gesamte Wochenende damit verbringen, mich wieder aufzupeppeln und zu erholen. Wenn ich nur daran denke, wandern meine Augen zum Himmel und mein Gesichtsausdruck gleicht einem Winseln… Warum tue ich mir das an?

Der Start ging wirklich zügig

Gut, eigentlich war der Start in die Woche ziemlich genial. Meine Arbeitskollegen und ich fanden uns beim Kunden ein und bekamen erst einmal eine kurze Einführung, wie man in ihrer Firma arbeitet. Zuerst bekam jeder eine neue Emailadresse. Und sobald ich mit diese Emailadresse eingeloggt bin, kann ich jede Office Applikation, welche ich für die tägliche Arbeit brauche (Word, Powerpoint etc.) aus einer Webseite heraus starten. Mein Benutzerkonto war dabei schon eingerichtet, ich konnte also wirklich einfach einmal einloggen, Passwort ändern und ZACK war ich im System und konnte quasi arbeiten.

Und was die Sache wirklich genial macht, ist die Zusammenarbeit zwischen den Leuten. In meiner alten Firma haben wir ja auch ständig irgendwelche Dokumente geschrieben – Dokumentationen von einem Programm zum Beispiel. Diese Dokumente waren aber ganz normale Word-Dateien, welche auf einem Netzlaufwerk in irgendeinem Ordner lagen. Das gemeinsame Schreiben war dabei immer ein wenig mühsam – Nur eine Person konnte ein Dokumente gleichzeitig geöffnet haben, und Word hatte so eine mühsame Änderungs-Verfolgungs-Funktion.

Bei meinem jetzigen Kunden arbeiten wir immer im Programm Microsoft Teams, das ich bisher nicht gekannt hatte. Es ist ein wenig wie Skype, ausser dass es auch eine Ablage für Dateien bietet.

Und wenn ich jetzt ein Dokument oder eine PowerPoint Präsentation aufmache, öffnet sich diese im entsprechenden Programm. Gleichzeitig können aber x-beliebig viele Mitarbeiter ebenfalls daran arbeiten, das sieht man dann jeweils in der rechten oberen Ecke. Man kann sogar quasi live mitverfolgen, was andere Personen gerade ändern.

Keine Ahnung, ob das für Sie jetzt ebenfalls so bahnbrechend ist, oder ob Sie sagen „Pah, alter Hut!“ – Ich finde das ziemlich cool!

Die Dateien im Teams Programm kann man auf Wunsch auch auf den lokalen Computer synchronisieren, was ich gleich mal ausprobiert habe.

Sonst kann ich mich gar nicht mehr erinnern, was wir den ganzen Tag gemacht haben, es scheint schon Ewigkeiten her zu sein! Ich weiss nur, dass meine drei Architekturkollegen… ach ja stimmt ja, ich habe dann Monsieur Baguette noch kennengelernt! Das ist ein neuer Kollege, der mich bei der Architekturarbeit unterstützt – oder eher umgekehrt, er ist nämlich der Senior haha 😉

Also auf jeden Fall hatten wir fast die ganze Woche durch jeweils zwei Abstimmungsmeetings wie schon in der Vorwoche: Eines um 12 Uhr und eines um 17:30 Uhr… ja, echt mühsam, meine Frau hat sich schon darauf eingestellt, dass ich zum Abendessen um 6 Uhr nicht zu Hause bin.

Der zweite Tag war echt zum Kotzen

Der zweite Tag begann echt widerlich. Ich war am ersten Tag schon ein wenig nervös, immerhin war ich den ganzen Tag im Büro, habe neue Kollegen kennengelernt und tausend neue Eindrücke erlebt. Man muss sich auch wirklich Mühe geben, dass man später zu Hause nicht immer noch an das ganze Zeugs denkt, aber es ist nicht leicht. Entsprechend schlecht schläft man dann…

Wie auch immer, komm ich also ins Büro, und das erste, was mir mein Projektleiter sagt, ist: „Guten Morgen Marcel. Einer der Technik-Jungs war vorhin da, anscheinend hast Du gestern ein paar Dateien von den andern Mitarbeitern gelöscht. Sie mussten sie wiederherstellen.“

BAM ins Gesicht, na super! Echt guter Start. Natürlich habe ich das nicht mit Absicht gemacht, das würde ich nie tun. Ich versuchte mich zu erklären, aber mein Projektleiter ist ein ziemlich cooler Typ, er hat dann nicht lang Theater gemacht. Ich glaube, ich weiss auch, wie mir das passiert ist: Ich habe doch einige Dateien auf meinen Computer synchronisiert – Und dann beim Durchschauen dieser Dateien hat eine Kombination aus Windows Explorer und Touchpad dazu geführt, dass sich irgendwas verschoben hat (ich verwende normalerweise immer eine Maus und ich weiss auch warum). Ich hatte es nur kurz gemerkt, sofort CTRL + Z gedrückt… aber ja, das musste da passiert sein.

Gut, wie auch immer.

Ich fing an, mit Monsieur Baguette über die Themen der Woche zu diskutieren. Dann kam ein Kollege und meinte, er könne uns einem der fünf „wichtigsten Kollegen beim Kunden“ vorstellen. „Na klar“, dachten wir, und gingen los, um diesen Herrn kennen zu lernen – nennen wir ihn Herrn Nashorn.

Herr Nashorn war unglaublich höflich – nämlich überhaupt nicht! Als wir uns vorgestellt hatten, meinte er: „Also gut, Jungs, hört mal zu. Ich möchte ehrlich zu Euch sein. Ich war nicht derjenige, der wollte, dass Ihr uns helft, und ich werde meinen persönlichen Einsatz, mit Euch zusammenzuarbeiten, so gering wie möglich halten.

Wow, super, dankeschön! So fühlte ich mich wirklich herzlich in der neuen Firma empfangen!

Dann war Herr Nashorn aber dennoch sehr zuvorkommend und hat mit uns ein Meeting am Nachmittag abgemacht, um uns einen Einstieg in die Firma und das Projekt zu geben. Das hat dann auch stattgefunden, und ich dachte mir „Super! Mein Oberarchitekt wird mit uns zufrieden sein, immerhin haben wir bereits ersten Kontakt zum Kunden hergestellt“.

Denkste!

Um 17:30 hatten wir den Abstimmungsanruf mit dem Oberarchitekten… hmm ich wollte ihm schon lange mal einen anderen Namen geben… ich nenne ihn Gandalf, weil er wirklich ein sehr weiser Mann ist und enorm viel über IT-Unternehmensarchitektur weiss. Also, wir hatten also den Anruf mit Gandalf und haben ihm voller Stolz vom Meeting mit Herr Nashorn erzählt. Gandalf war aber überhaupt nicht begeistert – hatten wir doch einen Tag zuvor abgemacht, dass wir die Kollegen das erste Mal in einem offiziellen Meeting gegen Ende Woche begrüssen und kennenlernen… „Aber… aber… wir haben bereits Kontakt aufgenommen… und sowieso… Herr Nashorn hat das Meeting von sich aus vorgeschlagen, wir wollten nicht so unhöflich sein, und es ablehnen…“ Aber alles flehen half nichts – Gandalf war wütend… 😦

Burnout am dritten Tag

Der dritte Tag fing dann auch gleich wieder stressig an. Ich weiss gar nicht mehr, was ich genau gemacht habe… ständig musste ich irgendwelchen Präsentationen für irgendwelche kommenden Meetings aufbereiten… und dazwischen habe ich noch mit einigen Leuten von unserer Firma gesprochen, die bereits seit längerer Zeit beim Kunden sind.

Ich hatte Meetings von Morgens um 8 bis um 13 Uhr – ununterbrochen. Das war einfach zuviel, man kann nicht immer nur machen machen machen… Ich habe Kopfschmerzen bekommen und brauchte eine Pause. Keine 10 Minuten Pause hatte ich diesen Morgen, und ich habe wohl auch viel zuwenig getrunken (was für mich sowieso schlimm ist, da ich drei Nieren habe und besonders viel trinken sollte). Ich ging in das nahegelegene Einkaufszentrum und habe mir ein Sandwich gekauft. Ich hatte aber überhaupt keine Lust, das Sandwich zu essen. Mir war ab und an richtiggehend schlecht, und ich sass einfach nur da und versuchte, mich zu entspannen. Das halbe Sandwich konnte ich dann langsam verdrücken, bevor ich rausgegangen und noch ein wenig an der frischen Luft rumgelaufen bin.

Jaja, ich hör schon die Stimmen meiner Kollegen: „Ha schau, der Marcel muss zum ersten Mal in seinem Leben schuften und gleich knickt er ein!“

Ja, das war wirklich nicht schön, und als ich anschliessend wieder im Büro war, konnte ich mich überhaupt nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren. Da ich erst wieder um 17:30 das Abstimmungsmeeting hatte, habe ich mich entschieden, nach Hause zu gehen (was man in meinem Beruf kann, was wirklich praktisch ist). Ich habe Monsieur Baguette noch kurz geschrieben, dass ich eine Pause bräuchte und nach Hause ginge – immerhin muss ich hier nicht den Helden spielen, es bringt ja eh nichts, wenn ich mich nicht auf die Arbeit fokussieren kann. Im Zug konnte ich dann ein wenig schlafen und als ich zu Hause angekommen bin, ging es mir schon wieder ein wenig besser.

„Easy, ruhst du dich noch ein wenig aus bis 17:30“ aber nein! Schon klingelte wieder mein Geschäftshandy. Monsieur Baguette meinte „Komm schon, wir müssen das und jenes noch fertigmachen, Gandalf will es bis um 17:30 sehen!“ Buarg also wieder Laptop rausgepackt und Arbeit Arbeit.

Pass auf Dich auf, wir brauchen Dich noch

Gegen Abend ging es mir dann schon wieder viel besser. Dieser Tag hat mir aber klar gemacht, dass ich besser auf mich aufpassen muss. Ich bin halt auch von meiner Persönlichkeit so, dass ich es jedem Recht machen will, und besonders zu Beginn eines Projektes gebe ich mir immer besonders Mühe. Das war auch schon im Studium so, ich stresse mich selber am Meisten und bin dann erstaunt, dass ich gestresst bin.

Ich habe mir vorgenommen, mehr auf mich zu achten. Mehr Trinken, mehr Pause, gut Atmen… Das sind alles Dinge, die im Eifer des Gefechts schnell mal zu kurz kommen. Schliesslich will ich den Job noch lange machen und nicht nach zwei Monaten in den Spital geliefert werden müssen.

Am Donnerstag ging dann alles noch gut, wir haben den Obermotz der Firma getroffen (der aber noch keinen eigenen Namen kriegt) und haben nun die „offizielle Erlaubnis, mit den anderen Nashörnern zu kommunizieren“. Der Obermotz war sogar ziemlich nett und sehr positiv uns gegenüber.

Und von Freitag muss ich gar nicht gross erzählen – Hach, Freitag Nachmittag konnte ich ENDLICH mal wieder NORMAL ARBEITEN, da ziemlich viele Leute am Freitag entweder von zu Hause arbeiten oder gar nicht. Und mit normal arbeiten meine ich: Hinsetzen, PC verwenden, Zeugs machen, keine Meetings, keine sonstige Ablenkung, einfach nur endlich mal das machen, von dem man immer gesagt hat „Oh, sobald ich Zeit habe, muss ich X und Y machen“. Das war schön, da geniesst man das wieder mal richtig!

Kurze Weile will gut Ding haben

Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass mir die Arbeit sehr gut gefällt. Es ist für mich noch ein wenig schwierig, bei all diesen Fremdwörtern durchzublicken, und immerhin bin ich auch das erste Mal als IT-Unternehmensarchitekt unterwegs. Die Leute sind aber alle wirklich enorm nett (ja, sogar Herr Nashorn, ich glaube, wenn man ihn mal besser kennt, kann man es auch spassig mit ihm haben… wir werden sehen) und die Arbeit ist enorm kurzweilig – Und das war genau der Grund, warum ich bei meinem letzten Job als 100% Java Entwickler gekündigt habe. Ich weiss am Morgen nie, was mich den ganzen Tag erwartet, und man braucht einen wachen und flexiblen Geist für diesen Job – Plus eine gewisse innere Ruhe, die ich mir noch antrainieren muss.

Und so endet meine (erste?) Woche in der Hölle. Dafür darf ich sagen, dass sich das Wochenende wie der Himmel angefühlt hat, und ich die Zeit mit meinen zwei Töchtern enorm genossen habe. Heute Sonntag waren wir noch zusammen an der Kinderfasnacht und meine ältere Tochter hat sich als supersüsse Hexe verkleidet. Und auf das Überleben dieser Woche musste ich mir spontan drei Biere gönnen (ich trinke sonst praktisch keinen Alkohol) und nach den drei Bieren waren tatsächlich alle meine Sorgen der vergangenen Woche vergessen.

Doch Marcel erkannte nicht die düsteren Wolken, die sich bereits wieder am Himmel bildeten, um ihm am Montag mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen…

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