Consultant Tagebuch 4: Eine Woche in der Hölle

Wer wissen will, wie das Leben eines Informatik-Consultants, also eines „Beraters“, aussieht, ist hier richtig.

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Consultant Tagebuch 1

Okay, ich habe die erste Woche als Consultant beim Kunden hinter mir, und ehrlich gesagt, war es eine der hartesten Wochen meines gesamten Lebens. Ich musste das gesamte Wochenende damit verbringen, mich wieder aufzupeppeln und zu erholen. Wenn ich nur daran denke, wandern meine Augen zum Himmel und mein Gesichtsausdruck gleicht einem Winseln… Warum tue ich mir das an?

Der Start ging wirklich zügig

Gut, eigentlich war der Start in die Woche ziemlich genial. Meine Arbeitskollegen und ich fanden uns beim Kunden ein und bekamen erst einmal eine kurze Einführung, wie man in ihrer Firma arbeitet. Zuerst bekam jeder eine neue Emailadresse. Und sobald ich mit diese Emailadresse eingeloggt bin, kann ich jede Office Applikation, welche ich für die tägliche Arbeit brauche (Word, Powerpoint etc.) aus einer Webseite heraus starten. Mein Benutzerkonto war dabei schon eingerichtet, ich konnte also wirklich einfach einmal einloggen, Passwort ändern und ZACK war ich im System und konnte quasi arbeiten.

Und was die Sache wirklich genial macht, ist die Zusammenarbeit zwischen den Leuten. In meiner alten Firma haben wir ja auch ständig irgendwelche Dokumente geschrieben – Dokumentationen von einem Programm zum Beispiel. Diese Dokumente waren aber ganz normale Word-Dateien, welche auf einem Netzlaufwerk in irgendeinem Ordner lagen. Das gemeinsame Schreiben war dabei immer ein wenig mühsam – Nur eine Person konnte ein Dokumente gleichzeitig geöffnet haben, und Word hatte so eine mühsame Änderungs-Verfolgungs-Funktion.

Bei meinem jetzigen Kunden arbeiten wir immer im Programm Microsoft Teams, das ich bisher nicht gekannt hatte. Es ist ein wenig wie Skype, ausser dass es auch eine Ablage für Dateien bietet.

Und wenn ich jetzt ein Dokument oder eine PowerPoint Präsentation aufmache, öffnet sich diese im entsprechenden Programm. Gleichzeitig können aber x-beliebig viele Mitarbeiter ebenfalls daran arbeiten, das sieht man dann jeweils in der rechten oberen Ecke. Man kann sogar quasi live mitverfolgen, was andere Personen gerade ändern.

Keine Ahnung, ob das für Sie jetzt ebenfalls so bahnbrechend ist, oder ob Sie sagen „Pah, alter Hut!“ – Ich finde das ziemlich cool!

Die Dateien im Teams Programm kann man auf Wunsch auch auf den lokalen Computer synchronisieren, was ich gleich mal ausprobiert habe.

Sonst kann ich mich gar nicht mehr erinnern, was wir den ganzen Tag gemacht haben, es scheint schon Ewigkeiten her zu sein! Ich weiss nur, dass meine drei Architekturkollegen… ach ja stimmt ja, ich habe dann Monsieur Baguette noch kennengelernt! Das ist ein neuer Kollege, der mich bei der Architekturarbeit unterstützt – oder eher umgekehrt, er ist nämlich der Senior haha 😉

Also auf jeden Fall hatten wir fast die ganze Woche durch jeweils zwei Abstimmungsmeetings wie schon in der Vorwoche: Eines um 12 Uhr und eines um 17:30 Uhr… ja, echt mühsam, meine Frau hat sich schon darauf eingestellt, dass ich zum Abendessen um 6 Uhr nicht zu Hause bin.

Der zweite Tag war echt zum Kotzen

Der zweite Tag begann echt widerlich. Ich war am ersten Tag schon ein wenig nervös, immerhin war ich den ganzen Tag im Büro, habe neue Kollegen kennengelernt und tausend neue Eindrücke erlebt. Man muss sich auch wirklich Mühe geben, dass man später zu Hause nicht immer noch an das ganze Zeugs denkt, aber es ist nicht leicht. Entsprechend schlecht schläft man dann…

Wie auch immer, komm ich also ins Büro, und das erste, was mir mein Projektleiter sagt, ist: „Guten Morgen Marcel. Einer der Technik-Jungs war vorhin da, anscheinend hast Du gestern ein paar Dateien von den andern Mitarbeitern gelöscht. Sie mussten sie wiederherstellen.“

BAM ins Gesicht, na super! Echt guter Start. Natürlich habe ich das nicht mit Absicht gemacht, das würde ich nie tun. Ich versuchte mich zu erklären, aber mein Projektleiter ist ein ziemlich cooler Typ, er hat dann nicht lang Theater gemacht. Ich glaube, ich weiss auch, wie mir das passiert ist: Ich habe doch einige Dateien auf meinen Computer synchronisiert – Und dann beim Durchschauen dieser Dateien hat eine Kombination aus Windows Explorer und Touchpad dazu geführt, dass sich irgendwas verschoben hat (ich verwende normalerweise immer eine Maus und ich weiss auch warum). Ich hatte es nur kurz gemerkt, sofort CTRL + Z gedrückt… aber ja, das musste da passiert sein.

Gut, wie auch immer.

Ich fing an, mit Monsieur Baguette über die Themen der Woche zu diskutieren. Dann kam ein Kollege und meinte, er könne uns einem der fünf „wichtigsten Kollegen beim Kunden“ vorstellen. „Na klar“, dachten wir, und gingen los, um diesen Herrn kennen zu lernen – nennen wir ihn Herrn Nashorn.

Herr Nashorn war unglaublich höflich – nämlich überhaupt nicht! Als wir uns vorgestellt hatten, meinte er: „Also gut, Jungs, hört mal zu. Ich möchte ehrlich zu Euch sein. Ich war nicht derjenige, der wollte, dass Ihr uns helft, und ich werde meinen persönlichen Einsatz, mit Euch zusammenzuarbeiten, so gering wie möglich halten.

Wow, super, dankeschön! So fühlte ich mich wirklich herzlich in der neuen Firma empfangen!

Dann war Herr Nashorn aber dennoch sehr zuvorkommend und hat mit uns ein Meeting am Nachmittag abgemacht, um uns einen Einstieg in die Firma und das Projekt zu geben. Das hat dann auch stattgefunden, und ich dachte mir „Super! Mein Oberarchitekt wird mit uns zufrieden sein, immerhin haben wir bereits ersten Kontakt zum Kunden hergestellt“.

Denkste!

Um 17:30 hatten wir den Abstimmungsanruf mit dem Oberarchitekten… hmm ich wollte ihm schon lange mal einen anderen Namen geben… ich nenne ihn Gandalf, weil er wirklich ein sehr weiser Mann ist und enorm viel über IT-Unternehmensarchitektur weiss. Also, wir hatten also den Anruf mit Gandalf und haben ihm voller Stolz vom Meeting mit Herr Nashorn erzählt. Gandalf war aber überhaupt nicht begeistert – hatten wir doch einen Tag zuvor abgemacht, dass wir die Kollegen das erste Mal in einem offiziellen Meeting gegen Ende Woche begrüssen und kennenlernen… „Aber… aber… wir haben bereits Kontakt aufgenommen… und sowieso… Herr Nashorn hat das Meeting von sich aus vorgeschlagen, wir wollten nicht so unhöflich sein, und es ablehnen…“ Aber alles flehen half nichts – Gandalf war wütend… 😦

Burnout am dritten Tag

Der dritte Tag fing dann auch gleich wieder stressig an. Ich weiss gar nicht mehr, was ich genau gemacht habe… ständig musste ich irgendwelchen Präsentationen für irgendwelche kommenden Meetings aufbereiten… und dazwischen habe ich noch mit einigen Leuten von unserer Firma gesprochen, die bereits seit längerer Zeit beim Kunden sind.

Ich hatte Meetings von Morgens um 8 bis um 13 Uhr – ununterbrochen. Das war einfach zuviel, man kann nicht immer nur machen machen machen… Ich habe Kopfschmerzen bekommen und brauchte eine Pause. Keine 10 Minuten Pause hatte ich diesen Morgen, und ich habe wohl auch viel zuwenig getrunken (was für mich sowieso schlimm ist, da ich drei Nieren habe und besonders viel trinken sollte). Ich ging in das nahegelegene Einkaufszentrum und habe mir ein Sandwich gekauft. Ich hatte aber überhaupt keine Lust, das Sandwich zu essen. Mir war ab und an richtiggehend schlecht, und ich sass einfach nur da und versuchte, mich zu entspannen. Das halbe Sandwich konnte ich dann langsam verdrücken, bevor ich rausgegangen und noch ein wenig an der frischen Luft rumgelaufen bin.

Jaja, ich hör schon die Stimmen meiner Kollegen: „Ha schau, der Marcel muss zum ersten Mal in seinem Leben schuften und gleich knickt er ein!“

Ja, das war wirklich nicht schön, und als ich anschliessend wieder im Büro war, konnte ich mich überhaupt nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren. Da ich erst wieder um 17:30 das Abstimmungsmeeting hatte, habe ich mich entschieden, nach Hause zu gehen (was man in meinem Beruf kann, was wirklich praktisch ist). Ich habe Monsieur Baguette noch kurz geschrieben, dass ich eine Pause bräuchte und nach Hause ginge – immerhin muss ich hier nicht den Helden spielen, es bringt ja eh nichts, wenn ich mich nicht auf die Arbeit fokussieren kann. Im Zug konnte ich dann ein wenig schlafen und als ich zu Hause angekommen bin, ging es mir schon wieder ein wenig besser.

„Easy, ruhst du dich noch ein wenig aus bis 17:30“ aber nein! Schon klingelte wieder mein Geschäftshandy. Monsieur Baguette meinte „Komm schon, wir müssen das und jenes noch fertigmachen, Gandalf will es bis um 17:30 sehen!“ Buarg also wieder Laptop rausgepackt und Arbeit Arbeit.

Pass auf Dich auf, wir brauchen Dich noch

Gegen Abend ging es mir dann schon wieder viel besser. Dieser Tag hat mir aber klar gemacht, dass ich besser auf mich aufpassen muss. Ich bin halt auch von meiner Persönlichkeit so, dass ich es jedem Recht machen will, und besonders zu Beginn eines Projektes gebe ich mir immer besonders Mühe. Das war auch schon im Studium so, ich stresse mich selber am Meisten und bin dann erstaunt, dass ich gestresst bin.

Ich habe mir vorgenommen, mehr auf mich zu achten. Mehr Trinken, mehr Pause, gut Atmen… Das sind alles Dinge, die im Eifer des Gefechts schnell mal zu kurz kommen. Schliesslich will ich den Job noch lange machen und nicht nach zwei Monaten in den Spital geliefert werden müssen.

Am Donnerstag ging dann alles noch gut, wir haben den Obermotz der Firma getroffen (der aber noch keinen eigenen Namen kriegt) und haben nun die „offizielle Erlaubnis, mit den anderen Nashörnern zu kommunizieren“. Der Obermotz war sogar ziemlich nett und sehr positiv uns gegenüber.

Und von Freitag muss ich gar nicht gross erzählen – Hach, Freitag Nachmittag konnte ich ENDLICH mal wieder NORMAL ARBEITEN, da ziemlich viele Leute am Freitag entweder von zu Hause arbeiten oder gar nicht. Und mit normal arbeiten meine ich: Hinsetzen, PC verwenden, Zeugs machen, keine Meetings, keine sonstige Ablenkung, einfach nur endlich mal das machen, von dem man immer gesagt hat „Oh, sobald ich Zeit habe, muss ich X und Y machen“. Das war schön, da geniesst man das wieder mal richtig!

Kurze Weile will gut Ding haben

Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass mir die Arbeit sehr gut gefällt. Es ist für mich noch ein wenig schwierig, bei all diesen Fremdwörtern durchzublicken, und immerhin bin ich auch das erste Mal als IT-Unternehmensarchitekt unterwegs. Die Leute sind aber alle wirklich enorm nett (ja, sogar Herr Nashorn, ich glaube, wenn man ihn mal besser kennt, kann man es auch spassig mit ihm haben… wir werden sehen) und die Arbeit ist enorm kurzweilig – Und das war genau der Grund, warum ich bei meinem letzten Job als 100% Java Entwickler gekündigt habe. Ich weiss am Morgen nie, was mich den ganzen Tag erwartet, und man braucht einen wachen und flexiblen Geist für diesen Job – Plus eine gewisse innere Ruhe, die ich mir noch antrainieren muss.

Und so endet meine (erste?) Woche in der Hölle. Dafür darf ich sagen, dass sich das Wochenende wie der Himmel angefühlt hat, und ich die Zeit mit meinen zwei Töchtern enorm genossen habe. Heute Sonntag waren wir noch zusammen an der Kinderfasnacht und meine ältere Tochter hat sich als supersüsse Hexe verkleidet. Und auf das Überleben dieser Woche musste ich mir spontan drei Biere gönnen (ich trinke sonst praktisch keinen Alkohol) und nach den drei Bieren waren tatsächlich alle meine Sorgen der vergangenen Woche vergessen.

Doch Marcel erkannte nicht die düsteren Wolken, die sich bereits wieder am Himmel bildeten, um ihm am Montag mit voller Wucht ins Gesicht zu schlagen…

Welche Artefakte muss ein IT-Unternehmensarchitekt erstellen?

Langsam komme ich echt in die Bredouille. Eigentlich will ich doch über Enterprise Architecture schreiben, aber der korrekte deutsche Begriff ist IT-Unternehmensarchitektur. Und da mein Blog nun mal vorerst auf Deutsch ist, bleibe ich wohl beim deutschen Wort. Irgendwie gefällt mir aber Enterprise Architecture auch und der Begriff IT-Unternehmensarchitektur ist auch nicht gerade der kürzeste. Vielleicht hört man ihn deswegen so wenig…

Hier eine Liste der wichtigsten Artefakte, die ein IT-Unternehmensarchitekt erstellen muss. Ich habe eigentlich die Hoffnung, das alles mal auswendig zu können, bis dahin werde ich aber mit dem Blogeintrag vorlieb nehmen. Und für ein bisschen Inspiration ist die Liste niemals schlecht.

Ich werde die einzelnen Artefakte später noch im Detail beschreiben und besonders auch mit einem Beispiel versehen. Oftmals hat man nämlich keine Ahnung, wie man vorgehen will, und wenn man aber ein Beispiel eines vergangenen Projektes hervorholt denkt man sich „Ah ja klar, eigentlich logisch“.

Mir ist bewusst, dass die folgende Liste so nicht viel bringt, aber haben Sie bitte Geduld mit mir. Jetzt weint nämlich gerade mein 5 Monate altes Mädchen und darum muss ich jetzt aufhören zu schreiben.

Die drei wichtigsten Artefakte

Baustein-Diagramm / Bausteindiagramm
Englisch: Application Architecture / „IT architecture components mapped to business capabilities“

Informationsflüsse / Laufzeitsicht
Englisch: Information flow diagram

Verteilungssicht
Englisch: Deployment diagram / „Infrastructure landscape“

Weitere Artefakte

Kontextabgrenzung
Englisch: Environment footprint

Qualitätssicherung Prozesse und Kontrolle
Englisch: Quality Assurance Processes and Controls

Verwendete Tools für das Continuous Delivery und Release Management
Englisch: Continuous Delivery Model and Release Management

Verwendete Tools für die Code Versionsverwaltung
Englisch: Code Management Standard

Verwendete Tools für die Entwicklung und Testing
Englisch: Toolchain used for application development and testing

Datenmanagement Prozesse und Kontrolle
Englisch: Data Management Processes and Controls

Informationssicherheit Prozesse und Kontrolle
Englisch: Information Security Processes and Controls

Security Architektur
Englisch: Security architecture

Technologiestacks
Englisch: „System Level Description of development stack and system components“

Infrastrukturlandschaft
Englisch: Infrastructure landscape / „Deployment architecture of applications and middleware“

Netzwerklandschaft / Netzwerkarchitektur
Englisch: Network Landscape / Network Architecture

Zusätzliche Hinweise

Denken Sie daran, dass zu Beginn eines Projektes alle Artefakte aus einer grossen Höhe gemacht werden müssen (high level). Sprich: Lassen Sie alle Details weg! Fangen Sie klein an. Beim Informationsfluss-Diagramm könnte man zum Beispiel verschiedene Pfeile nehmen für Service Call, Daten duplizieren oder einen manuellen Prozess. Wenn man diese Information aber gar nicht hat, sollte man all die Details einfach weglassen und einen einzigen Pfeil für alle Informationsflüsse verwenden.

Wenn man ein hübsches Diagramm erstellt, etwa für die Bausteine, sollte man diese im Nachfolgenden in einer Tabelle auflisten und kurz beschreiben.

Zu jedem Diagramm braucht man während des Projektes zusätzlich eine Tabelle mit offenen Punkten, die man abklären muss. Beispiel: „Welcher Baustein ist für das Laden der Pinguindaten zuständig?“

Zu jedem Diagramm braucht man während des Projektes zusätzlich eine Tabelle mit Annahmen, die man während der Erstellung des Artefakts trifft. Diese Annahmen können anschliessend bestätigt oder verworfen werden (Confirmed/not confirmed). Beispiel: „Der Zoo liefert jeden Tag eine Datei mit den Namen der Schlangen, die im Zoo leben“.

Consultant Tagebuch 3 Der Verrat an König Arthur

Wer wissen will, wie das Leben eines Informatik-Consultants, also eines „Beraters“, aussieht, ist hier richtig.

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Consultant Tagebuch 1

Ich krieche auf allen vieren auf dem Boden, König Arthur steht drohend über mir.

Ich: „Aber mein König… das wollte ich nicht… ich habe nur…“

König Arthur: „Schweigt! Du hast mich hintergangen! Warst du einst mein treuester Gehilfe, musste ich nun mit ansehen, wie du hinter meinem Rücken mit dem Feind angebandelt hast! Und nun kommst du dahergekrochen wie ein dreckiger Wurm! Wegen dir können wir den Sieg im Kampf um das Vaterland vergessen! Verrotten sollst du im tiefsten Kerker! Wachen! Packt diesen reudigen Hund und werft ihn in das tiefste Loch, das wir haben! Hiermit verurteile ich ihn zu dreissig Jahren Haft in Ketten!

Ich: „NEEEEEIIIIIIINNNNNNN!!!!!!!!!!!!“

Licht am Ende des Tunnels

Letzten Donnerstag war ich wirklich wütend. Immer noch wütend wegen diesem doofen Interview, und dann konnte ich keinen Arbeitsplatz im Büro finden, also musste ich mich irgendwo hinquetschen, um wenigstens an meinem Laptop arbeiten zu können.

Wir haben wirklich nur begrenzt Platz in unserem Büro, weil wir ja eigentlich beim Kunden Projekte durchführen müssen. Und theoretisch kann man einen Platz im unserem Büro reservieren – Leider sind alle Plätze bereits auf Wochen von Leuten ausgebucht, die bereits wissen, dass sie im Büro sein müssen. So passierte es, dass König Arthur auf der Klimaanlage des Meeting-Raumes gearbeitet hat, so eine tischhohe kleine Seitenleiste im Raum, wo kalte Luft rauskommt. Und ich durfte es mir auf dem Sofa neben der Kaffeemaschine bequem machen, was nicht so schlimm war bezüglich dem Komfort, aber auf einem Sofa kann man halt zum Beispiel keine Maus richtig bedienen und kann die gewünschte Arbeit nur halb so schnell erledigen.

Und dann habe ich an dem Donnerstag noch eine Mail bekommen, dass mein Projekt Hasenstall, bei dem ich ausgeholfen habe, per heute meine Buchung gestoppt hat. Heisst, ich werde ab Morgen Freitag tatsächlich hundertprozentig ohne Projekt sein. Ach menno! 😡

So wusste ich mir nicht weiter zu helfen als Deryck Whibley anzuschreiben, den wir in Teil 2 des Consulting Tagebuchs schon kennengelernt haben.

„Hallo lieber Deryck. Per heute ist meine Buchung auf dem Projekt zu Ende. Was soll ich nur tun? Gruss, verzweifelter Consultant-Kollege“

Die Anwort von Deryck kam sofort: „Komm doch um 16 Uhr bei mir vorbei, dann gehen wir einen Kaffee trinken“ 😉

Der Zwinkersmiley machte mir ein bisschen Sorgen… und sowieso, was könnte Deryck schon ausrichten?

Ein Kaffe in Nöten

So ging ich mit Deryck Kaffee trinken. Deryck arbeitet schon sehr lange in der Firma. Er meinte, ich hätte mich beim Erstellen der technischen Architektur für Projekt Hasenstall gar nicht mal so doof angestellt. Und er fragte mich, ob ich mir vorstellen könnte, das weiterhin zu tun.

Ich sagte ihm, dass es mir wirklich Spass gemacht hat, und ich überhaupt nicht traurig bin, wenn mein nächstes Projekt kein Java Projekt sei, obwohl ich gerne Java entwickle. Immerhin wurde ich auch als technischer Architekt eingestellt und das Projekt Hasenstall ist momentan recht am anfang, also !!!>>> DIE <<<!!! Gelegenheit, unglaublich viel über Enterprise Architektur beziehungsweise Unternehmensarchitektur zu lernen.

„Na gut“ meinte Deryck. „Ich habe heute Abend ein Meeting mit dem Oberprojektleiter. Ich schau mal, was ich machen kann“.

Am nächsten Morgen kam dann prompt der Oberprojektleiter zu mir mit der Nachricht, dass sie mich gerne weiterhin in Projekt Hasenstall dabeihätten und ich mit dem Rest des Teams am Montag zum Kunden gehen könne!

Ich war natürlich völlig von den Socken!

Natürlich habe ich zugesagt und sehe mich jetzt in der vorteilhaften Situation, am Montag zum Kunden und somit in mein allererstes echtes (bezahltes) Projekt einzusteigen!

Das Leben ist schön!

Der Verrat

Ach was, hör schon auf! Es ist überhaupt kein Verrat! Ich kann über-haupt-nichts dafür!

Kurz nachdem der Oberprojektleiter nämlich mit mir gesprochen hatte, ging er noch mit König Arthur in ein Meetingraum. Und als dieser zurückkam, musste ich ihm die frohe Botschaft von meinem Projekt natürlich gleich übermitteln.

Und was war seine Botschaft? Er war eigentlich ebenfalls für das Projekt Hasenstall geplant, nun haben sie ihn aber rausgenommen! Verdammt!

Also habe ich ihm quasi den Platz geklaut? (Witziges Detail am Rande: König Arthur darf jetzt an das von mir verpatzte Java Interview gehen – Immerhin hat er jetzt eine Ahnung, was der Kunde von ihm wissen will…)

Neeeeee ich glaube, König Arthur nimmt das ganze recht locker, er arbeitet ebenfalls schon lange bei der Firma und das gehört einfach dazu, dass man unglaublich flexibel sein muss. Dass es jederzeit heissen kann „Oh wegen XY bist du nicht mehr auf dem Projekt, bye!“ Er meinte auch, dass man das überhaupt nicht persönlich nehmen muss, genausowenig, wie wenn man etwa ein Java Interview verpatzt. Man ist dadurch nicht weniger wert! Nein, wirklich nicht! (Ich probiere, mich selbst davon zu überzeugen…)

Ich habe König Arthur gesagt, dass es mir leid tut, beziehungsweise dass ich es super schade finde, dass wir nicht zusammen weiterhin diese hübschen Architekturdiagramme zeichnen können. Er war mir ein guter Berater in meinen ersten Tagen in der Firma, aber jetzt muss ich erwachsen werden und meinen eigenen Weg gehen… sniff 😥

Und so verlässt König Arthur mit wehenden Fahnen die Bühne. Eventuell wird er später wieder zu uns stossen, wenn es um die eigentliche Implementation des Projektes geht, aber das wird wohl noch einige Zeit dauern.

Die Firma ist auch flexibel

Und so kann ich mit den heutigen Tagebucheintrag mit einer kleinen Anekdote beenden: Grundsätzlich haben König Arthur und ich jeden Tag um 12 Uhr einen Status-Telefon-Call mit den Oberarchitekten, etwa Deryck. (12 Uhr, weil die Oberarchitekten zu allen anderen Zeiten bereits ausgebucht sind, ausser vielleicht noch Morgens oder Abends um 7) Am Freitag hatte dieser aber überhaupt keine Zeit und hat das Statusmeeting deswegen auf 16:30 Uhr verschoben.

König Arthur und ich haben deshalb nach dem Mittagessen beschlossen, (jeder zu sich) nach Hause zu gehen und dort weiterzuarbeiten. Auch das ist in meiner Firma völlig legitim und niemand wird Dich komisch ansehen, wenn du um 12:30 nach Hause gehst (natürlich solltest Du am Nachmittag kein wichtiges Meeting mehr haben, bei dem Du vor Ort sein musst).

Um 16:30 Uhr hatte Deryck zwar immer noch keine Zeit, ich habe aber einen neuen Mitstreiter kennengelernt, der mich ab nächster Woche unterstützen wird. Ich brauche noch einen passenden Namen für ihn. Wie es scheint, kommt er aus Frankreich, weshalb ich dachte, Monsieur Baguette sei passend. Was meinen Sie?

So sitze ich also hier, schreibe diese Zeilen und bin gespannt, was nächste Woche bei Kunden passieren wird. Spannend!

Hier gehts zum Consultant Tagebuch 4: Eine Woche in der Hölle